Arten von Unterrichtsstörungen

In diesem Artikel möchten wir die verschiedenen Arten von Unterrichtsstörungen vorstellen. Wie in dem Artikel zu den Definitionen von Unterrichtsstörungen beschrieben, sind die gewählten Definitionen von Unterrichtsstörungen weit gefasst. Daher ist es nötig, Unterrichtsstörungen zu klassifizieren. Das Unterscheiden der Arten von Unterrichtsstörungen ermöglicht eine genauere Betrachtung hinsichtlich möglicher Ursachen.
Arten von Unterrichtsstörungen

Formen von Unterrichtsstörungen
nach Biller

Zunächst sei hier die graduelle Unterscheidung von Unterrichtsstörungen von Biller zu nennen, da seine Klassifizierung eine vereinfachte Übersicht darstellt. Biller unterscheidet, in welchem Schweregrad die Störung auftritt.

Diese Störungsgrade unterteilt er in: Bagatellstörungen, indirekte und direkte Störungen des Unterrichts, unbehebbare Störungen sowie Unvermeidbare Störungen. In dieser Unterscheidung geht es vorrangig darum, wie intensiv die Person eine Störung ausübt.

Bagatellstörungen

Die Bagatellstörungen gehören zu den leichten Arten von Unterrichtsstörungen. Sie sind meist von kurzer Dauer und stellen oft die natürlichen Reaktionen von jungen Menschen dar.  Zu ihnen zählen beispielsweise mangelnde Aufmerksamkeit, Übermut oder gegenseitiges Necken. Da sie häufig nicht bewusst initiiert und von Belanglosigkeit geprägt sind, sollten sich Lehrkräfte nicht persönlich angegriffen fühlen.

Ein sofortiges Einschreiten ist häufig nicht notwendig. Vielmehr sei an dieser Stelle auf die Infantilität junger Schüler verwiesen, die der Lehrer bei seiner Reaktion auf das Verhalten beachten kann.

Dennoch können sich aus vermehrten, eigentlich trivialen Störungen auch schwerwiegendere Unterrichtsstörungen entwickeln. Daher sollte die Lehrkraft die Situation einschätzen können, um gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen zu können.

Indirekte und direkte Störungen

Ernsthafte Störungen sind komplexe Arten von Unterrichtsstörungen und werden von Biller in direkte und indirekte Störungen unterteilt. Da sie von anderen Störungen überlagert sind, fällt es schwer die einzelnen Störfaktoren auszumachen und zu beheben.

Indirekte Störungen finden außerhalb des eigentlichen Unterrichts statt und wirken sich negativ auf das Schulklima aus. Die indirekten Störungen lassen sich in drei Gruppen unterteilen:

  • Zum einen kann eine gestörte Beziehung zu dem Schulhauspersonal bestehen. Dazu zählen beispielsweise Racheakte in Form von mutwilligen Beschädigungen von Schulinventar, die der Hausmeister wieder reparieren muss.
  • Die zweite Gruppe bezieht sich auf Störungen im normierten Schulbereich. Dazu zählen Verstöße gegen Schulordnungen und Hausordnungen.
  • Störungen im außerschulischen Bereich stellt die dritte Gruppe dar. Hierzu zählen exemplarisch das Überfallen anderer Schüler, Belästigungen oder der Missbrauch von Alkohol, Drogen und Nikotin.
Die direkten Störungen wirken sich im Gegensatz zu den indirekten Störungen belastend auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis aus. Im schulischen Arbeitsbereich stellt sich dies beispielsweise durch Faulheit, Gehässigkeit untereinander oder durch das Nichtbefolgen von Lehreranweisungen und das Belügen von Lehrern dar.

Unbehebbare Störungen

Unbehebbare Störungen sind Störungen, die einem Lehrer nur sehr eingeschränkten Handlungsspielraum lassen. Sie erlauben es ihm nicht, die Störung zu beheben. Oftmals liegen diese Störungen in der Anlage des Kindes oder seines Umfeldes. An dieser Stelle ist es als Lehrer sinnvoll, Hilfe von ausgebildeten Personen wie Therapeuten oder Schulpsychologen in Anspruch zu nehmen. So können gemeinsam professionelle Lösungswege erarbeitet werden.

Unvermeidbare Störungen

Mit Blick auf die Schulwirklichkeit empfiehlt Biller, sich auf unvermeidbare Störungen einzustellen. Diese Arten von Unterrichtsstörungen sind ein alltäglicher Bestandteil und Unterricht kann schon mal als langweilig empfunden werden. Die verwendete Energie sollte somit in die Behebung von vermeidbare Störungen investiert werden, statt gegen unvermeidbare anzurennen.

Formen von Unterrichtsstörungen
nach Lohmann

Im Gegensatz zu der Klassifizierung nach dem Schweregrad der Unterrichtsstörung von Biller, benennt Lohmann vier Arten von Unterrichtsstörungen, die den „Lehr-Lern-Prozess […] beeinflussen, unterbrechen oder unmöglich machen“
  • Das verbale Störverhalten bezieht sich auf alle verbalen unerwünschten Verhaltensweisen wie vorlautes Verhalten, Zwischenrufe, Beleidigungen oder störendes Schwatzen.
  • Der mangelnde Lerneifer wird durch die geistige Abwesenheit des Schülers, seinem Desinteresse oder seiner Unaufmerksamkeit deutlich.
  • Die motorische Unruhe äußert sich im Unterricht durch zappeln, das Kippeln mit dem Stuhl oder das unaufgeforderte Herumlaufen in der Klasse.
  • Das aggressive Verhalten lässt den Schüler zu Wutausbrüchen, Angriffen auf andere Schüler oder Lehrer sowie Sachbeschädigungen neigen.
Die ersten drei Formen lassen sich am häufigsten im Unterricht wiederfinden, das aggressive Verhalten ist seltener zu beobachten. Eine Merkmalliste aller Erscheinungsformen sind laut Lohmann wohl potentiell endlos.

Formen von Unterrichtsstörungen
nach Winkel

Winkel unterscheidet zwischen sieben Kategorien. Mithilfe dieser Kategorien erstellte er einen Diagnosebogen zur Erfassung von Ursachen und Intentionsmöglichkeiten störenden Verhaltens. Inhaltlich decken sie sich teilweise mit den Merkmalen von Lohmanns Darstellung der Arten von Unterrichtsstörungen.

Disziplinstörungen

Disziplinkonflikte von Schülern stellen Verstöße von Schülern gegen Normen und Regeln dar. Auch Störungen des Unterrichts kann eine Disziplinstörung darstellen. Disziplinstörungen werden größtenteils unabsichtlich oder fahrlässig im Schulalltag gegen Schulordnung, Klassenregeln oder Lehreraufgaben begangen und sind in der Regel gegen abgelehnte Wertvorstellungen gerichtet.

Beispiele für eine Disziplinstörungen im schulischen Kontext wäre beispielsweise die Frage des Schülers, warum er im Unterricht keine Musik hören darf. Durch das Ergänzen oder Diskutieren, dass es bei bei anderen Lehrern doch auch erlaubt sei, wird die abgelehnte Wertevorstellung deutlich.

Provokation und Aggression

Erfolgte die Disziplinstörung noch unabsichtlich oder fahrlässig, so wird dem Störer in der Kategorie der Provokation und Aggression, laut Winkel, prinzipiell eine Absicht unterstellt. Es wird versucht, Lehrer oder Mitschüler herauszufordern oder bewusst zu schädigen. Dabei kann, so Winkel, jede aggressive Handlung eine von wenigstens sechs Sinnperspektiven aufweisen, denen gegebenenfalls pädagogisch in Form von Prävention oder Intervention begegnet werden muss.
  • Eine Aggression, die zunächst als spielerischer Kampf mit dem Ziel, Stärke oder Freude am Siegen auszuprobieren erscheint, kann schnell zur ernsthaften Angelegenheit werden.
  • Eine Aggression, die als Abwehr von Bedrohungen mit dem Ziel, Ängste oder Verletzungen zu minimieren, liefe Gefahr, die legitime Abwehr bis zur Vernichtung des Gegners zu steigern.
  • Eine entstandene Aggression als Reaktion aufgrund von Frustrationen hat ursprünglich das Ziel, eine Niederlage auszugleichen, sodass die Gefahr einer Ersatzbefriedigung droht.
  • Die Aggression als ein Auskundschaften von Freiräumen und Grenzen droht unter Umständen eine Art Machtstreben zu werden.
  • Bezweckt die Aggression eine Einschüchterung, kann es durch Unterdrückung, Ausbeutung oder Demütigung zur Brutalisierung kommen.
  • Das Ziel, Aufmerksamkeit, Liebe und Zuwendung zu gewinnen, will durch eine Aggression entstellter Liebessehnsucht erreicht werden. Dabei kann es vorkommen, dass ein Kind lieber bestraft werden möchte, als ignoriert zu werden.
Jede aggressive Handlung möchte, so Winkel, etwas ausdrücken. Somit bekommt der Ausdruck „Das machst du mit Absicht“ gerade in der Schule eine inhaltliche Relevanz.

Akustische und visuelle Dauerstörungen

Eine weitere Kategorie der Arten von Unterrichtsstörungen stellen akustische und visuelle Dauerstörungen dar. Unkonzentriertes und zappeliges Verhalten, oftmals durch eine mediale Dauerbeschallung der Kinder außerhalb der Schule verursacht, lassen den visuellen und akustischen Lärmpegel in die Höhe treiben. Die schlechte Schulraumakkustik verstärkt diesen akkustischen Dauerstress zusätzlich. Neben Gehörschäden und psychischen Stress kommt es zu einer negativen Beeinflussung des Lernens.

Störungen aus dem Außenbereich des Unterrichts

Unterbrechungen des Unterrichts erfolgen nicht selten von außerhalb der Klassenräume. Bauarbeiten, Tiere, Straßenverkehr oder andere Lehrer und Personen, die ungebeten die Klasse betreten, sind potentielle Störfaktoren.

Lernverweigerung und Passivität

Wenn ein oder mehrere Schüler die Mitarbeit am Unterricht verweigern, handelt es sich um eine Lernverweigerung. Neben einer Über- oder Unterforderung kann dies auch aus einer Provokation heraus passieren. Daher ist es wichtig, die Grenzen zwischen den Arten von Unterrichtsstörungen als fließend zu verstehen.

Desmotivation

Winkel führt den Aspekt der Desmotivation im Diagnosebogen als eigenen Punkt auf und gibt ihm einen eigenen Interpretationsraum. Die Desmotivation sieht Winkel als sehr vielfältig an. Lehrer, die sich einer in Schülersprache „Null-Bock-auf-nix“ Situation stellen müssen, leiden oftmals stark unter dieser Form der Störung.

Neurotisch bedingte Störung

Neurotische Störungen äußern sich in erster Linie in den Symptomen, nicht jedoch in den eigentlichen Störungen oder Konflikten des Schülers. Diese Symptome erlauben Rückschlüsse auf die Konfliktkonstellation. Winkel verweist auf folgende Symptome, die der Lehrkraft Hinweise geben:
  • Psychosomatische Störungen (Labilität, Tics, Stottern usw.)
  • Auffälliges Schulversagen (Pseudodemenz, Erschöpfungssyndrome, hartnäckige Desmotivation usw.)
  • Verhaltensstörungen (Vandalismus, Lügen, Stehlen, Drogengebrauch, Phobien usw.)
  • Ernährungsstörungen (Appetitmangel, abnormer Hunger, Magersucht usw.)
  • Organische Störungen (Einnässen, Einkoten, Schmerzen in Kopf, Magen, Hals, Neurodermitis usw.)
  • Schlafstörungen (Nachtangst, Schlafwandeln usw.)

Zusammenfassend

Es zeigt sich, dass Biller, Lohmann und Winkel sowohl verschiedene Formen der Unterrichtsstörung definieren, als auch Überschneidungen in ihren Klassifikationen aufweisen.

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