Unterrichtsstörungen Definition

Welche Unterrichtsstörungen Definition ist die Richtige? Was genau ist unter dem Begriff „Unterrichtsstörung“ zu verstehen? Dieser Artikel gibt Aufschluss darüber.
Welche Unterrichtsstörungen Definition ist die Richtige? Was genau ist unter dem Begriff „Unterrichtsstörung“ zu verstehen? Ist es bereits eine Störung, wenn zwei Schüler im Unterricht miteinander flüstern? Wird der Unterricht bereits gestört, wenn Schüler entgegen der Aufgabenstellung des Lehrers beschließen, die Aufgabe zusammen zu lösen? Oder stören Verhaltensweisen der Lehrkraft den Unterrichtsverlauf?

Der Begriff „Unterrichtsstörung“ als solches, liefert erstmal keine genaueren Hinweise darauf, wie ein störungsarmer Unterricht erreicht wird. Auf den ersten Blick scheint ein Unterricht nur gestört zu sein und lässt hinsichtlich seiner Konnotationen keine großen Fragen offen. Das einfache Deuten verweist auf eine Störung des Unterrichts, egal von wem und warum. Doch die genauere Betrachtung lässt bereits erahnen, dass die Suche nach einer passenden Definition des Begriffs Unterrichtsstörung umfassender ist, als zunächst angenommen.

  • Was sind eigentlich genau Unterrichtsstörungen?
  • Wer stört wen, wie und warum?

Um einen Zugang zu den Fragen zu bekommen, stellen wir im Folgenden die gängigen wissenschaftlichen Definitionen vor und vergleichen sie in ihrer inhaltlichen Bedeutung miteinander.

In früherer Fachliteratur wurden oftmals sinnverwandte Begriffe von Unterrichtsstörung wie Disziplinproblem, Disziplinschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten sowie Erziehungsschwierigkeiten zur Beschreibung des gestörten Unterrichts verwendet. Diese haben sich aufgrund einer gewissen Schuldzuweisung als weniger geeignet erwiesen, so dass sich der Begriff der Unterrichtsstörung durchsetzte.

Unterrichtsstörungen Definition nach Karlheinz Biller

Die bisher bekannten schuldzuweisenden Disziplinbegriffe durchbricht Karlheinz Biller im Jahre 1979, indem er jede Störung einer Unterrichtssituation als „Unterrichtsstörung“ kennzeichnet. Diese Unterrichtsstörungen Definition lautete wie folgt:

„Alles, was den Prozeß oder das Beziehungsgefüge von Unterrichtssituationen unterbricht oder unterbrechen könnte, ist als konkrete oder potentielle Unterrichtsstörung definierbar“.

-Biller-

Karlheinz Biller deutet mit dieser Definition auf die Wertneutralität des Störungsbegriffes hin. Dadurch lässt sich eine Schuldzuweisung dem Lehrer oder Schüler gegenüber verhindern. Dieser Verzicht ermöglicht eine objektive Metakommunikation zwischen den Protagonisten.

Laut Biller wird „durch jeden pädagogischen Konflikt […] die Erziehbarkeit des Schülers reduziert, und damit […] die Erziehung insgesamt erschwert“. Nach Biller setzt der Begriff „Unterrichtsstörung“ nun an die Unterrichtspraxis an. Die Verantwortung der Interpretation und der Bewertung einer Störung liegt bei den Schülern und Lehrern und hängt situativ von unterschiedlichen Faktoren ab. Biller geht in seiner Definition nicht nur von tatsächlichen Störungen aus, sondern nimmt auch mögliche, sich entwickelnde Störungen in den Fokus

Unterrichtsstörungen Definition nach
Rainer Winkel

Rainer Winkel betrachtet, ähnlich wie Biller, Begriffe wie Disziplin- und Verhaltensstörung als ungeeignet. Dabei betont er, dass es in der Pädagogik um das Verstehen von befremdlichen Situationen, auffälligen Verhaltensweisen und schwierigen Prozessen geht. So kann ein Erziehen nur durch Verständnis gelingen.

Schuld und Unschuld müssten dabei erst einmal beiseitegelassen und stattdessen Ursachen und Absichten hinterfragt werden. Auch er spricht sich dafür aus, dass Unterrichtsstörungen nicht nur vom Lehrer und nicht nur vom Schüler her definiert werden dürfen. In seiner Unterrichtsstörungen Definition soll die Unterrichtsstörung vom Unterricht her betrachtet werden:

„Eine Unterrichtsstörung liegt dann vor, wenn der Unterricht gestört ist, d.h. wenn das Lehren und Lernen stockt, aufhört, pervertiert, unerträglich oder inhuman wird.“

-Winkel-

Die definitorische Konzentration Winkels auf den Unterrichtsakt schafft zunächst eine objektive Basis, lässt aber einen subjektiven Ansatz erkennen. Die unterschiedlichen Sichtweisen der am Lehr-Lernprozess Beteiligten stellen, anders als bei Biller, eine Kennzeichnung persönlicher Meinung dar, d.h. die Reaktion und das Empfinden der Akteure ist maßgebend für eine Unterrichtsstörung.

Somit liegt eine Störung selbst nach Winkel nämlich erst dann vor, wenn der Lernprozess ins Stocken gerät oder abgebrochen wird. Solange der Kommunikationsprozess im Unterricht erfolgreich ist, sollten auffällige Verhaltensweisen nicht sofort als Unterrichtsstörung bezeichnet werden. Dies steht im Gegensatz zu Biller, der bereits sich entwickelnde Störungen als störend empfindet.

Ein wichtiger Ansatz bei Winkel ist die Abkehr der Störungsbetrachtung von der personalen Ebene. Für ihn ist eine Interpretation „nur“ vom Lehrer oder „nur“ vom Schüler aus, nicht zielführend. sie führt entweder zu manipulativen Gehabe des Lehrers oder zur Gegenherrschaft des Schülers. Eine Interpretation vom Unterricht her kann stattdessen zu produktiven Lösungen führen und hilft bei der Hinterfragung von Ursachen und Absichten. Die Unterrichtsstörung wird zu einer verschlüsselten Mitteilung des Schülers an den Lehrer, zu einer kommunikativen Botschaft.

 Unterrichtsstörungen Definition nach
Gert Lohmann

Die umfassendste Unterrichtsstörungen Definition fasst Gert Lohmann zusammen. Dabei stellt er ebenfalls eine Beeinträchtigung des Lehr-Lern Prozesses fest:

„Unterrichtsstörungen sind Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, unterbrechen oder unmöglich machen, indem sie die Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen erst stattfinden können, teilweise oder ganz außer Kraft setzen. Zu den Voraussetzungen zählen äußere und innere, das Lernen ermöglichende Bedingungen, wie physische und psychische Sicherheit, Ruhe, Aufmerksamkeit, Konzentration.“

-Lohmann-

Lohmann sieht die Ursache der Unterrichtsstörung sowohl im Lehrer- und Schülerverhalten als auch in äußeren Bedingen begründet. Lohmann erweitert die Definitionen von Biller und Winkel dahingehend.

Dabei wird der subjektive Charakter eines Lehrers hinsichtlich seiner Normen- und Wertevorstellungen offensichtlich. Dies verlangt von ihm professionelles pädagogisches Handeln um die Widersprüche in den Erwartungen auf Seiten der Schüler und Lehrer auszubalancieren.

Zusammenfassend

Die Definition von Lohmann zu Unterrichtsstörung ist die bisher umfassendste von allen. Aus diesem Grund orientieren sich viele Wissenschaftliche Arbeiten an der Definition von Lohmann. Dabei geht der Grundgedanke Winkels, die Unterrichtsstörung vom Unterricht her zu interpretieren, nicht verloren.

Festzuhalten bleibt, dass alle drei Autoren die Subjektivität in der Auffassung von Unterrichtsstörung betonen. Störungsfreier Unterricht gleiche, so Lohmann, einer didaktischen Fiktion, da die Unterrichtsstörungen „unausweichliche und bis zu einem gewissen Grad normale Begleiterscheinungen von Unterricht“ seien.

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